
Es sind hier wirklich keine Ferien! Die fünfte Woche am Generalkapitel
Liebe Mitbrüder, liebe Don-Bosco-Familie, liebe Einrichtungsleiterinnen und –leiter,
inzwischen ist die fünfte Arbeitswoche des 29. Generalkapitels zu Ende gegangen. Eine arbeitsreiche und durchaus anstrengende Woche liegt hinter uns. (Es sind hier wirklich keine Ferien, sollte jemand solche Ideen hegen!) Der Tag beginnt morgens um 6.45 Uhr mit Laudes, Betrachtung und Eucharistiefeier in den Sprachgruppen (englisch, französisch, spanisch, portugiesisch, italienisch, polnisch) und dem gemeinsamen Frühstück im Speisesaal unter der Basilika. Er schließt in der Regel mit der Vesper um 19.15 Uhr, der Gute-Nacht-Ansprache, in der meist eine Provinz vorgestellt wird, und dem Abendessen um 20.00 Uhr.
Rückblick: Inhaltliche Arbeit zum Kernthema 2
Um 9.00 Uhr versammeln wir uns meist zur „Assemblea“ (Plenum) im Theatersaal, wo nach dem Gebet um den Hl. Geist die Protokolle des Vortags verlesen und abgestimmt werden und seitens des Regulators don Alphonse oder des Präsidenten don Stefano wichtige Hinweise gegeben werden. Je nach Programm werden danach im Plenum die Arbeitsergebnisse der Kommissionen vorgestellt und diskutiert oder es werden Be-schlussvorlagen abgestimmt. Mitunter geht es auch direkt in die verschiedenen Kommissionen (25-40 Mit-glieder), wo derzeit Textvorlagen erstellt und diskutiert oder auch Beschlussvorlagen erarbeitet werden. Und natürlich soll es immer wieder auch die Möglichkeit zum brüderliche Austausch geben, der sich nicht zuletzt in den halbstündigen Kaffeepausen vormittags und nachmittags vollzieht, die, wie in Italien gewohnt, streng eingehalten werden.
In dieser Arbeitswoche haben wir parallel an allen drei Kernthemen gearbeitet. Dabei war eine Fülle an Aspekten und Fragen zu bearbeiten, was eine hohe Disziplin und Motivation aller Kapitulare erforderte.
In der thematischen Arbeit der Kommissionen ging es anfangs der Woche um das zweite Kernthema: Gemeinsam mit der Don-Bosco-Familie und den „Laien“ mit und für die Jugendlichen, kurz: um die geteilte Sendung zur Jugend. Das große Thema wurde aufgegliedert in die drei Unterpunkte: A) Die gemeinsame Spiritualität und Sendung in der Erziehungs- und Pastoralgemeinschaft; B) Erziehen und Evangelisieren; C) Neue Ausdrucksformen der Sendung. In das dritte Thema waren auch die Fragen der Social Media und der ökologischen Bildung integriert. Wie schon in den Wochen zuvor, so zeigte sich auch diesmal im Austausch und im Erarbeiten der Ergebnisse die Vielfalt und der Reichtum der weltweiten Kongregation mit ihren unterschiedlichen Kontexten und Erfahrungen. Und doch gab es in den zentralen Fragen immer auch erstaun-liche Konvergenzen.
Am Dienstag, den 18.3. stellten die jeweiligen Sprecher die Arbeitsergebnisse der sechs Kommissionen zum zweiten Themenbereich Sendung vor. Als erstes ist immer P. Simon Härting dran, der der Sprecher der ersten englischsprachigen Kommission ist. Er nimmt seine Aufgabe mit viel Wertschätzung und mit einem Schuss Humor wahr und wird dafür auch sehr gelobt. Nach diesen Vorstellungen folgt der Diskussionsteil im Plenum. Das ist meist ein sehr spannender und lebendiger Teil, wo in Beiträgen von höchstens 5 Minuten, im zweiten Durchgang höchstens 3 Minuten, von ganz unterschiedlichen Standpunkten aus in den verschiedenen Sprachen die Erfahrungen und Meinungen zu den jeweiligen Themen zum Ausdruck gebracht werden. Und da gibt es Zuspruch und Widerspruch und immer wieder auch neue Einsichten. Gerade das Themenfeld der Sendung zur Jugend wurde mit viel Herzblut behandelt, was wichtig war, um zu sehen, wo die großen Herausforderungen liegen und worauf das Kapitel antworten soll. In diesen mit großem Respekt geführten Debatten drückt sich immer wieder der Geist Gottes aus. Das ist die allgemeine Überzeugung.
Auch ich selbst meldete mich in einem Redebeitrag zu Wort. Nachdem wir in der deutschen Provinz in den letzten beiden Provinzkapiteln im Sinne der vor 10 Jahren veröffentlichten Enzyklika Laudato si‘ sehr stark das Anliegen der Nachhaltigkeit, der ökologischen Umkehr und der ökologischen Bildung betont haben, war es mir wichtig, dieses Thema stärker ins Bewusstsein des Kapitels zu heben, als es nach meinem Eindruck bisher der Fall war. Um dafür zu sensibilisieren, wie bedroht die Erde, unser „gemeinsames Haus“, ist, ging ich in meinem Redebeitrag von unserer eigenen Erfahrung des Hagelsturms vom 23.8.2023 in Benediktbeuern aus, den es so dort noch nie gegeben hat und den Fachleute sehr eng mit dem Klimawandel in Verbindung bringen. Simon Härting unterstützte mich, indem er auf der Leinwand hinter mir Fotos zeigte, die die unbeschreibliche Verwüstung und Zerstörung ins Bild brachten, die der Hagelsturm in Benediktbeuern hinterließ. Dies alles sollte die Botschaft unterstreichen, dass wir als Erzieherorden, wenn wir unseren Schöp-fungsauftrag (Gen 1,26-31) ernst nehmen und die jungen Menschen und deren gute Zukunft uns wirklich ein Anliegen sind, durch Wort und Tat unseren (wenn auch bescheidenen) Beitrag dafür leisten müssen, die Schöpfung bewahren zu helfen. Mit meinem „Intervento“ habe ich im Kapitel tatsächlich sehr viel mehr ausgelöst, als ich zuvor erwartet hatte. Viele sprachen P. Simon und mich nachher an und wollten mehr über das Ereignis und seine Folgen wissen. Ein Mitbruder sagte mir, dass er immer wieder gern in Benediktbeuern gewesen sei, dass er von dem Hagelsturm und seinen Folgen bisher nichts mitbekommen habe, dass er durch die Bilder aber regelrecht geschockt war. Gestern bedankte sich ein afrikanischer Mitbruder bei mir und unterstrich meine Botschaft, dass es in seinem Land tatsächlich so sei, wie ich gesagt hatte, nämlich dass die Armen unter dem Klimawandel am meisten zu leiden hätten. Kein geringerer als don Pascual Chávez bezeichnete die Darstellung später als „illuminierend und stimulierend“ und als Aufforderung zu mutigem Handeln. Es erfüllt mich mit großem Dank, dass es Simon und mir in einer engen Kooperation möglich war, hier auf nachdrückliche Weise ein wichtiges Anliegen ins Kapitel zu tragen. Und wir hoffen beide sehr, dass sich dies dann auch entsprechend im Schlussdokument und vor allem im späteren Handeln niederschlagen wird.
Missbrauch, Prävention, kanonische Verfahren
Ein anderes Thema, das besonders P. Peter Rinderer, sozusagen stellvertretend für uns deutschsprachige Kapitulare, auf sehr wirksame Weise einbringen konnte, war das Anliegen der Schutzkonzepte für die Einrichtungen, damit unsere Niederlassungen sichere Orte für alle sind. Denn allzu sehr gab es in den Beiträgen davor die Tendenz, die Thematik sexualisierter und anderer Formen der Gewalt hauptsächlich im Bereich der Ordensausbildung anzusiedeln, statt sie ganzheitlich und als Aufgabe aller zu sehen. An dieser Stelle kann man sagen, dass das Thema Missbrauch bei diesem Kapitel von vielen Kapitularen angesprochen wird und einen deutlich breiteren Raum einnimmt als bei den letzten beiden Kapiteln. Die Thematik ist in vielen Provinzen angekommen. Und es ist bei vielen Kapitularen der Wunsch da, die gesammelten Erfahrungen miteinander zu teilen und sich als Kongregation hier klar zu positionieren. Wie genau das aussehen wird, das wird sich erst nach der Wahlwoche zeigen. Hilfreich war es in jedem Fall, dass der Generalprokurator don Pier Fausto Frisoli am Freitag in sehr klarer und nüchterner Weise über die Zahl der in Rom gemeldeten Fälle berichtete, in denen Mitbrüder des sexuellen Missbrauchs beschuldigt werden, wie diese kanonisch angegangen werden und zu welchen Ergebnissen sie führen. In dieser Weise war dies bei diesem Kapitel ein Novum. Auf diesem Feld hat die Kongregation nach meinem Eindruck einen echten Qualitätssprung gemacht, für den man nur dankbar sein kann und der nicht zuletzt don Frisoli und seinem Team zu verdanken ist.
Textarbeit am Kernthema 1: authentisches Ordensleben
Am Dienstag legte die siebte Kommission, das ist die Redaktionskommission, den ersten Entwurf des Kernthemas 1 vor: Animation und Sorge um ein authentisches Leben eines jeden Salesianers. Hier geht es vor allem um die geistliche Dimension des Ordenslebens, das Gemeinschaftsleben und die (Aus-)Bildung. Der Textentwurf basiert auf den in den Wochen vorher erarbeiteten Beiträgen der sechs inhaltlichen Kommissionen, aus denen die Redaktionskommission einen gemeinsamen Text zu erstellen hatte. Der Textent-wurf wurde dann wiederum in den Kommissionen miteinander gelesen und besprochen und es wurden Rückmeldungen und Wünsche gesammelt. Wie es immer so ist: Der Entwurf erhielt viel Lob und Anerkennung. Doch natürlich gab es auch viele kritische Rückmeldungen: zur Sprache, zu missverständlichen Sät-zen, zu fehlenden Anliegen … Diese wurden dann der Redaktionskommission mit auf den Weg gegeben, die nun am Text weiterarbeiten wird. Die Mitbrüder der Redaktionskommission haben, das muss man mit großem Dank sagen, eine herausfordernde Aufgabe; dabei verstehen sie sich ganz im Dienst des Kapitels.
Strukturelle Fragen
In der Zwischenzeit arbeiteten die Kommissionen am Kernthema 3 weiter, in dem es vor allem um strukturelle Fragen geht. Waren in der letzten Woche die Fragen behandelt worden, die relevant waren für die Wahlen, ging es in dieser Woche um Fragen, die stärker die Regionen und Provinzen betreffen: z.B. außer-ordentliche Visitationen, Visite d’insieme, Länge der Amtszeiten, Zusammensetzung des Provinzialrats, Aufgaben des Provinzialvikars, Häufigkeit der Provinzkapitel, Kommissionen und Arbeitsgruppen in den Provinzen, quantitative Zusammensetzung der Gemeinschaften … Thema für Thema wurde in den Kommissionen behandelt; es wurden die vielfältigsten Erfahrungen und Meinungen ausgetauscht, Stellungnahmen und Beschlussvorschläge erarbeitet, Textvorschläge gesichtet und revidiert. Alle Kommissionen waren sehr kon-zentriert bei der Sache. Manche Kapitulare fühlten sich ob der Fülle der verschiedenen Fragen und Themen manchmal auch etwas überfordert, zumal der Zeitplan eng gesteckt war. Hier zeigt sich einmal mehr, dass das 29. Generalkapitel inhaltlich viele Aufgaben abarbeitet, die ursprünglich schon fürs 28. Generalkapitel vorgesehen waren, die damals aber wegen des coronabedingten vorzeitigen Endes nicht behandelt werden konnten. Am Freitag wurden dann in gewohnter Weise all die Vorschläge und Beschlussvorschläge durch die Sprecher der Kommissionen ins Plenum getragen.
Zudem wurde am Freitag die Frage besprochen, ob es mit Blick auf die sozialen Werke für die vulnerablen und ausgeschlossenen jungen Menschen einen eigenen Artikel in den Satzungen braucht oder nicht. Auch hier spürt man, wie sehr vielen Mitbrüdern, die Arbeit mit den ausgegrenzten jungen Menschen am Herzen liegt. Es gibt auch die, welche betonen, dass die Sendung zur bedürftigen Jugend für alle unsere Werke und Tätigkeiten gelte und es daher eigentlich keines neuen Artikels bedürfe.
All diese Dinge wurden andiskutiert und vorbesprochen. Entscheidungen gibt es dazu noch nicht, diese werden erst in den Wochen nach den Wahlen getroffen werden. Von deutschsprachiger Seite haben wir uns in unseren Redebeiträgen für die sozialen Werke stark gemacht; wir haben, wo immer möglich, die tragende Mitverantwortung der Mitarbeitenden in unseren Werken unterstrichen; wir haben, wie es uns von den Verantwortlichen in den Missionsprokuren mitgegeben worden war, auf die Wichtigkeit der personellen Kontinuität und der Qualität in der Begleitung der Projekte hingewiesen; und wir haben angesichts von Anfragen an die Regelmäßigkeit der Provinzkapitel alle drei Jahre unsere Erfahrungen mit den Provinzkapiteln als wichtige Hilfe der Entscheidungsfindung und als Erfahrung der Einheit in schwierigen Zeiten geteilt.
Eine wichtige Entscheidung fiel in dieser Woche aber doch: Nachdem schon in der letzten Woche die Aufteilung der Region Afrika beschlossen worden war, wurde in dieser Woche genau geklärt, welche Provinzen zu den beiden künftigen Regionen Ost- und Südafrika und Mittel- und Westafrika zählen werden. Die Mit-brüder der afrikanischen Provinzen sind für die mit großer Einmütigkeit getroffenen Entscheidungen sehr dankbar. Für sie ist dieser Schritt ein Zeichen der Hoffnung und eine gute Hilfe für die Zukunft.
Ausblick
Mehr und mehr ist in den letzten Tagen die vor uns liegende Woche der Wahlen in den Blick gekommen. In einem speziellen Beitrag hat Peter Rinderer als Leiter der Kommission Öffentlichkeitsarbeit wichtige Hin-weise für die nächste Woche gegeben. Dabei hat er einmal mehr auf sehr gewinnende Art im Namen der Zentralkommission und der Präsidentschaft das Anliegen der Diskretion vorgetragen: Wahrung des Persönlichkeitsschutzes, keine Mitteilung über Wahlgänge oder Abstimmungsergebnisse etc. Die Kommission Öf-fentlichkeitsarbeit arbeitet eng mit der ANS zusammen. Diese wird den Namen der jeweils gewählten Person sehr zeitnah veröffentlichen. Die gewählten Personen werden dabei auch kurz mit aktuellem Foto vorgestellt. Hierzu verweise ich daher jetzt schon auf die folgende Homepage: https://www.infoans.org/. Um die Atmosphäre im Kapitel zu wahren, wurden alle Kapitulare gebeten, jeweils auf diese Kommunikation hinzuweisen. Das werden natürlich auch wir als deutschsprachige Vertreter so halten.
Am heutigen Sonntagnachmittag beginnt mit einer geistlichen Einführung und Zeiten des gemeinsamen und persönlichen Gebets der Prozess der geistlichen Unterscheidung, der am Montag fortgesetzt wird und am Dienstag, den 25.3.2025, dem Hochfest der Verkündigung des Herrn, in die Wahl des neuen Generaloberen münden soll. Am Mittwoch soll dann der Vikar des Generaloberen gewählt werden; danach beginnen die Wahlen der Räte für die Sektoren (Bildung, Mission, Soziale Kommunikation, Ökonomie) und es folgen dann die Wahlen der Regionalräte. Bei dem ganzen Prozess wird uns ein externer „Faciliatore“ begleiten und mithelfen, dass wir wirklich auf dem Weg der gemeinsamen geistlichen Unterscheidung bleiben.
Provinzthemen
Hiermit möchte ich auch nicht unerwähnt lassen, dass wir vier: P. Kettner, P. Rinderer, P. Härting und ich, zwischendurch auch die Gelegenheit nutzen, wie es uns von den beiden Provinzialräten aufgetragen wurde, die Fragen der gemeinsamen Zukunft der beiden Provinzen zu besprechen und dabei auch den Rat der Fachleute der Kongregation einzuholen. So führten wir in dieser Woche ein ausführliches Gespräch mit dem Generalprokurator don Pier Fausto Frisoli, der uns wertvolle Hinweise gab und auch seine Erfahrungen mit anderen vergleichbaren Prozessen teilte. Darüber wird dann bei anderer Gelegenheit zu berichten sein. Auffällig ist übrigens, dass wir von Kapitularen immer wieder auf die Frage der Zukunft der beiden Provinzen angesprochen werden und dass die Art, wie wir dies angehen, als sehr gut eingeschätzt wird.
In dieser Woche gab es auch eine eindrucksvolle und sehr tiefgehende Gute-Nacht-Ansprache von don Pierluigi Cameroni, den Generalpostulator der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungen. Am Rande informierte er mich zum Stand der Causa Rudolf Lunkenbein und Simao Bororo: Voraussichtlich im Spätherbst wird die Theologenkommission tagen, die ganz wesentlich darüber zu befinden hat, ob der Tod der beiden als Martyrium anerkannt werden kann oder nicht. Hören wir also nicht auf, um einen guten Ausgang des Prozesses zu beten und dabei v.a. die Fürsprache der beiden Diener Gottes anzurufen.
Schlusswort
Am Schluss bleibt mir nur, euch und Sie alle auch im Namen von P. Siegfried M. Kettner, P. Peter Rinderer, Br. Jean-Paul Muller und P. Simon Härting sehr herzlich zu grüßen. Wir bitten einmal mehr, das Kapitel durch das fürbittende Gebet zu begleiten. Denn nur im Hl. Geist und unter seiner Führung wird es dem Ka-pitel gelingen, diejenigen Kandidaten für die Führungsaufgaben in der Kongregation zu finden, die diese heute für die Animation braucht, um in rechter Weise auf die „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst“ (GS 1) der jungen Menschen von heute und die Zeichen der Zeit zu antworten.
Mit herzlichen Grüßen, im Gebet verbunden
P. Reinhard Gesing, Provinzial